BELVEDERE 21: Constanze Ruhm vom 16. März bis 27. August 2023
Ein zerbrochener Spiegel als visuelle Metapher – in ihrer Ausstellung „Come una pupilla al variare della luce" macht sich Constanze Ruhm auf die Suche nach einem feministischen Sehen.
Wien (OTS) - Die Künstlerin, Filmemacherin, Autorin und Kuratorin Constanze Ruhm widmet sich im Belvedere 21 der Zerschlagung patriarchaler Blick- und Bildregime sowie der Suche nach einer anderen Art von Bildern und Erzählungen, die sie im gemeinschaftlichen weiblichen Kunstschaffen findet.
Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere: Constanze Ruhm ist eine der prägenden Persönlichkeiten einer zeitgenössischen filmbasierten Praxis: theoretisch versiert, formal innovativ und kompromisslos feministisch. Ihre neueste Ausstellung steht exemplarisch für ihre Suche nach einer feministischen Subjektivität und einem anderen Sehen in den Koordinaten der historischen Spuren der feministischen Bewegung.
Seit den frühen 1990er-Jahren nutzt Constanze Ruhm unterschiedliche Medien, um filmische Erzählungen feministisch zu re-formulieren. Mit der Geschichte des italienischen Feminismus und den sogenannten „Preziösen“, jener protofeministischen Pionierinnen der Salonkultur, denen sich die italienische Feministin Carla Lonzi gewidmet hatte, beschäftigt sich die international anerkannte Künstlerin schon seit vielen Jahren. Mit ihrem Konzept einer zerbrochenen, fragmentierten Zeitlichkeit, um zu einer anderen Art von Bildern, von Filmen und letztendlich von Bewusstsein zu gelangen, ist Carla Lonzi eine der Leitfiguren in Ruhms Ausstellung. Von ihr stammt auch das Titel gebende Zitat „come una pupilla al variare della luce“ (Wie eine Pupille im Wandel des Lichts).
In Ruhms Ausstellung dient der zerbrochene Spiegel als Figur und visuelle Metapher, um die Geister feministischer Geschichte zu beschwören. Dieser Spiegel steht hier für vieles: die Zerstörung eines Schönheitsideals, das sich im Spiegelbild und in dessen permanenter Überprüfung ausdrückt; die Fragmentierung einer linearen Zeitlichkeit; die schmerzhafte Zerschlagung eines weiblichen Selbstbildnisses durch Gewalteinwirkung, verbunden mit der Suche nach einer erst neu zu findenden Konstellation, die immer offen und fragmentarisch bleiben muss. Nicht zuletzt reist er durch die Zeiten („uno specchio che viaggia nel tempo“): In ihm erscheinen Bilder des Kinos, der Fotografie, aus der Geschichte der Malerei.
In neu konzipierten Videoinstallationen, einer Fotoserie, der Anordnung von Archivmaterial sowie der Präsentation von Arbeiten weiterer feministischer Künstlerinnen aus den Anfängen der italienischen Frauenbewegung der 1970er-Jahre – wie etwa Suzanne Santoro und Maria Grazia Chinese – macht Constanze Ruhm feministische Kunst- und Filmgeschichte im Spiegel einer zeitgenössischen künstlerischen Praxis sichtbar. Dabei hinterfragt sie, welche Verbindungslinien zu historischen Momenten und Figuren der feministischen Bewegungen wiederaufgenommen und in die Zukunft projiziert werden können. Gemeinsam mit jungen Feministinnen tauchen all deren Vorläuferinnen auf, Frauen, die sich schon vor Hunderten von Jahren versammelt, politische Diskussionen geführt und sich organisiert haben. Der Grenzverlauf zwischen Vergangenheit und Gegenwart bleibt durch die Ränder der Spiegelscherben unscharf, so wie die Beziehungen und Bezüge zwischen den Generationen.
Das Thema des Spiegels strukturiert als zentrales Motiv der Schau auch die Ausstellungsarchitektur und die visuelle Gestaltung. Der Spiegel ist in Constanze Ruhms Arbeit imstande, unterschiedliche Orte und Zeiten, nicht zuletzt das Reale und das Imaginäre, zu verbinden. Doch er dient nicht nur als optisches Instrument, das Vergangenheit und Gegenwart zusammenfügt. Die Spiegelscherben fangen auch das Sonnenlicht ein und senden Lichtsignale aus – in Richtung Zukunft. Nach der Zertrümmerung des patriarchalen Blick- und Bildregimes geht es in Ruhms künstlerischen Arbeiten darum, mit performativen Ritualen, theatralen Beschwörungen und vieldeutigen Signalen die Fragmente zu einem anderen Körper zusammenzusetzen und so zu einer feministischen Geschichtsschreibung beizutragen.
Claudia Slanar, Kuratorin der Ausstellung: Constanze Ruhm geht in ihrer Ausstellung von Bruchstücken, Spiegelscherben – den vielen einzigartigen, individuellen, jedoch gemeinsamen Geschichten von Frauen – aus, die wir als Zeitgenoss*innen übernehmen und zu einer eigenen, neuen Geschichte zusammenfügen können.
Die Ausstellung wird erweitert durch tägliche Screenings im Blickle Kino.
Weitere Informationen und Pressebilder zur Ausstellung finden Sie HIER.
ARTIST TALK mit Constanze Ruhm und Suzanne Santoro
Die Künstlerinnen Constanze Ruhm und Suzanne Santoro sprechen mit Kuratorin Claudia Slanar über historische Ereignisse in der italienischen Frauenbewegung, die Macht des Spiegels und wie künstlerische Reenactments Gegenwart und Zukunft verändern können.
Teilnahme mit gültigem Eintrittsticket kostenlos
Mit freundlicher Unterstützung vom Istituto Italiano di Cultura di Vienna
Datum: 17.03.2023, 16:00 - 17:30 Uhr
Ort: Belvedere 21
Arsenalstraße 1, 1030 Wien, Österreich
Url: https://www.belvedere.at/event/artist-talk-mit-constanze-ruhm-und-suzanne-santoro
FILM UND GESPRÄCH: Gli appunti di Anna Azzori
Der Film umkreist Anna, die Protagonistin eines gleichnamigen Klassikers des italienischen Dokumentarfilms und fragt nach dem Wahrheitsanspruch der ursprünglichen Inszenierung aus den 1970er-Jahren. Im anschließenden Gespräch geht es um unterschiedliche Strategien im Umgang mit (Bild-)Archiven. Dabei werden Fragen der Aneignung und Reinszenierung diskutiert.
Mit Constanze Ruhm, Claudia Slanar (Kuratorin Belvedere), Katharina Müller (Österreichisches Filmmuseum)
Blickle Kino / Teilnahme mit kostenlosem Veranstaltungsticket
Datum: 30.03.2023, 18:30 - 20:00 Uhr
Ort: Belvedere 21
Arsenalstraße 1, 1030 Wien, Österreich
Url: https://www.belvedere.at/event/screening-und-talk-gli-appunti-di-anna-azzori
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Irene Jäger
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